Kind weint zwischen Eltern die sich streiten

Aus Recht wird Pflicht wird Qual  


Die familienrechtlichen Gesetze zum Umgang mit Kindern sind gar nicht so schlecht. Das Problem liegt in der Auslegung, also in der Rechtsprechung. Und die ist oft eine Katastrophe.  

Das Familienrecht ist in den Paragraphen 1600 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) verankert, insbesondere das Umgangsrecht. In §1684 (1) BGB heißt es:  

„Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt.“  

Klingt gut, oder? Das Kind hat das Recht, aber nicht die Pflicht. Doch die Realität sieht anders aus – wie viele Betroffene schmerzhaft erfahren müssen. 

Die Ausgangssituationen unserer betreuten Fälle sind vielfältig:  Manche Eltern waren ein Paar, verheiratet oder nicht. Andere haben nie zusammengelebt. Manche Kinder kennen ihren Vater überhaupt nicht, weil er sich nie gekümmert hat – bis zu dem Zeitpunkt, an dem er das ändern will.  Es gibt Halbgeschwister, binational geprägte Familien oder Co-Elternschaften. Die LGBTQ+-Community hat ihre eigenen Wege zur Elternschaft. In seltenen Fällen ist das Kind durch Vergewaltigung entstanden.

Genau wegen dieser Vielfalt der Rahmenbedingungen gilt Familienrecht die Einzelfallprüfung, d. h. jeder Fall muss individuell bewertet werden. Doch immer öfter erleben wir das Gegenteil: Starre Ideologien ersetzen die individuelle Würdigung. Alles wird der Ideologie unterworfen. Vor allem, der Wille des Kindes.

Einzelfallprüfung? Fehlanzeige!  

Ein Richter beginnt die Verhandlung mit den Worten: „Ohne ein Wechselmodell gehen wir hier heute nicht raus.“  Ein Jugendamtsmitarbeiter verkündet im Gerichtssaal: „Jedes Kind muss von Geburt an im Wechselmodell leben.“  Klingt das nach Einzelfallprüfung?  

Umgang mit dem Vater ist eine Heilige Kuh – Einzelfallprüfung erleben wir hier kaum: 

Ein 5-jähriges Kind schreit sich beim begleiteten Umgang die Seele aus dem Leib. Der Vater ist schwierig, die Trennung war schwierig – und der Umgang ebenso. Doch niemand ahnt: Der Junge wurde vom Vater geschlagen. Erst als er es selbst erzählt, reagiert man – mit Ignoranz. Ein Gutachter rät, den Widerstand des Kindes zu brechen. Er soll ruhig weiter 30 Minuten schreien – das sei in Ordnung. Man dürfe ihm nicht durchgehen lassen, dass er es zu entscheiden habe (Wir sprechen über 2023, nicht 1823). 

Ein anderes Kind, 7 Jahre alt, verweigert den Umgang, weil sein Vater es schlägt und erniedrigt: „Du bist zu dumm, zu ungeschickt, zu nichts zu gebrauchen.“ Die Mutter kennt diese Gewalt; sie hat mit diesem Mann gelebt. Doch ihr und dem Kind glaubt man nicht – sondern dem Täter. Stattdessen muss sie proaktiv begleiteten Umgang anbieten, um nicht als bindungsintolerant dazustehen.   

Ein 4-jähriges Kind berichtet mehrfach von sexuellem Missbrauch. Die Mutter nimmt die Aussagen auf – niemand will sie hören. Sie transkribiert sie – niemand will sie lesen. Bliebe sie bei ihrem Vorwurf, droht ihr der Kindesentzug. Also gibt sie ihr Kind zum Umgang.  

Oder der Fall eines Kindes, das immer mehr Umgang mit dem Vater haben wollte, als der Vater bereit war, Zeit mit dem Kind zu verbringen. Beim letzten Umgang hat er das Kind wieder einmal geschlagen. Jetzt ist das Kind 12 Jahre alt, hat die Nase voll von diesem Menschen, Vater hin Vater her, und will nicht mehr hin. Jetzt will das Jugendamt ein Glaubwürdigkeitsgutachten. Es soll also geprüft werden, ob das Kind lügt oder der Vater.

Ein 6-Jähriger kennt seinen leiblichen Vater nicht. Er wuchs mit dem neuen Partner der Mutter auf, das ist sein Papa. Plötzlich meldet sich der biologische Vater zurück – und das Kind wird gezwungen, eine Bindung zu ihm aufzubauen. Die Mutter muss sich rechtfertigen, weil der Junge zu ihrem neuen Partner Papa sagt. 

Wir könnten unendlich so weiter berichten. Die Fälle unterscheiden sich im Detail, doch die Dynamik ist immer dieselbe.  

Ja, es gibt wunderbare Väter. Aber es gibt eben auch die anderen:  Väter, die sich nicht für ihr Kind interessieren, sondern sich nur selbst darstellen wollen. Die schlagen und beleidigen – die Mutter und/oder das Kind.  Väter, die das Kind als Waffe gegen die Ex-Partnerin benutzen, das Kind manipulieren, Druck ausüben oder schlimmer noch – pädophil sind.  

Doch im Familiengericht existiert all das nicht. Hier gibt es nur eines: das Recht des Vaters auf sein Kind.  

Die Mutter ist immer schuld  

Die Argumentation der Fachkräfte ist stets dieselbe:  

  • Will das Kind den Vater nicht sehen? Dann liegt es an der Mutter – sie verbringt ja mehr Zeit mit ihm und manipuliert es.  
  • Erzählt das Kind, es wird geschlagen? Dann lügt es – Kinder „fantasieren“ ja gern mal.  
  • Besteht keine Bindung zum Vater? Dann hat die Mutter sie verhindert oder nicht ausreichend eingefordert.
  • Weint das Kind? Dann ist es unreif und hat keinen eigenen Willen.  
  • Drückt es seinen Willen klar aus? Dann hat ihm jemand (aka die Mutter) die Worte in den Mund gelegt.  

Man gewinnt den Eindruck, egal wie, die Schuld liegt immer bei der Mutter.  

Noch einmal: Wir reden hier nicht von liebevollen Vätern, sondern von Männern, die lügen, manipulieren, kontrollieren, schlagen. Das ist vielleicht der biologische Vater – aber das wird niemals ein Papa sein. Und Kinder spüren das. Man müsste ihnen nur zuhören.  

Das System schützt Täter – nicht Kinder  

Das Familiengerichtssystem handelt nach dem Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf.  Denn der Vater gehört zum Leben des Kindes, so die Fachmeinung. Er ist gut für das Kind. Immer. Unter allen Umständen.

Nein, das ist er eben manchmal nicht. 

Statt sich mit den realen Problemen auseinanderzusetzen, gibt es nur ein Wort für Kinder, die nicht so funktionieren, wie das Familienrechtssystem es von ihnen erwartet: Loyalitätskonflikt.  

Manipulation?  Angst?  Gewalt?  Psychosomatische Reaktionen? Überforderung? Diese Begriffe kennt das Jugendamt & Co. nicht.

Kinder, die nicht funktionieren, werden vom System zermahlen: Maßnahmen über Maßnahmen werden über diese armen Kinder ausgekübelt, um passend zu machen, was eben einfach manchmal nicht passt. Bis die Kinder gebrochen einknicken oder in Therapie müssen. Oftmals beides. Wir wissen von 6jährigen Kindern, die Suizid Gedanken äußern.

Tatsächlich geht die Kindeswohlgefährdung in diesen Fällen nicht (nur) vom Vater aus – sondern vom System selbst. Das Familienrecht schützt Täter und bestraft jene, die die Kinder schützen wollen – und bestraft damit ebenfalls die Kinder. Kürzlich hat es eine Klientin auf den Punkt gebracht:

„Je mehr ich die Kinder schützen wollte, umso schlimmer wurde es.“ 

Dabei wäre es so einfach: 

  • Die Fachkräfte müssten den Kindern zuhören, sie nicht nur anhören
  • Sie dürften nie vergessen, dass wir es mit empfindsamen, kleinen Wesen zu tun haben, für die die Welt noch voller Unbekanntem und Angst besteht
  • Das Familienrechtssystem müsste die Vergangenheit betrachten, um die Gegenwart zu verstehen – etwas, was dort konsequent verweigert wird
  • Bei Entscheidungen müsste der Kontinuitätsgrundsatz ernst genommen werden hinsichtlich der tatsächlichen Betreuung 
  • Man müsste Väterlobbyisten aus den politischen Gremien und Fakultäten entfernen, damit sie nicht länger Forschung und Bildung beeinflussen  

Das wäre ein Anfang.  

Lesen Sie weiter…

Teilen Sie Ihre Erfahrungen mit uns