Wechselmodell für alle!
Eine Spottschrift von Clara Sinn 😉
Das fand ich kürzlich in den Kleinanzeigen:
OMG –Meine Fantasie geht gerade mit mir durch. Das ist DIE Möglichkeit für Frauen, endlich Geld für ihre Hausarbeit zu bekommen. OK, ist jetzt nicht mehr die leibliche Mutter, die die Kinder betreut, sondern eine fremde Frau. Aber die bekommt jetzt Geld für das gleiche, wofür die leibliche Mutter keines bekommt.
Deshalb: Ich bin für das Wechselmodell! Für alle! Verpflichtend!
Das bedeutet: Vollbeschäftigung für Frauen. Haben wir ja schon, klar – aber diesmal mit Bezahlung! Na gut, ist nicht das eigene Kind, das man betreut – Opfer sind nötig. Aber es bedeutet: Geld für Frauen! Jedenfalls so lange Männer ihre eigenen Geschlechtsgenossen diskriminieren. Man nennt das doch Diskriminierung, wenn ein Jobangebot geschlechterspezifisch ist, oder? Es ist verwunderlich, dass dieser Mann, der seine Vaterschaft so wundervoll aktiv lebt, wie der obige Inserent, keinen „Kindermann“ oder „Leihopa“ sucht. Für Nanny gibt es, soweit ich weiß, noch kein männliches Äquivalent. Schon wieder Diskriminierung! Wie wäre es mit Nannus?
Männer müssen ja Frauen heutzutage keinen Unterhalt mehr für die Arbeit mit den Kindern zahlen. Sie sind zur bezahlten Vollzeitbeschäftigung – neben der Arbeit mit den Kindern – verpflichtet, wenn das jüngste Kind drei Jahre alt ist. Kann man ja auch verstehen, neues Rollenverständnis und so. „Einmal Chefarztfrau, immer Chefarztfrau – dieser Grundsatz gilt nicht mehr“ prustete die SPD stolz nach Verkündung des Gesetzes.
Also hier ist nun die Lösung: Die modernen Männer – und bitteschön auch alle anderen – übernehmen die Kinder hälftig. Zumindest nach der Trennung. Die brauchen dann fremde Frauen, die sie bezahlen müssen, zur Betreuung ihrer Kinder. Und schon haben wir das Problem der wirtschaftlichen Benachteiligung von Frauen gelöst. Das bedeutet bezahlte Vollbeschäftigung und damit Wohlstand für Frauen, die sich daraufhin eine bessere Ausbildung, eine bessere Rente und natürlich bessere Anwälte leisten können. Sie wachsen, innerlich wie äußerlich. Sie bekommen endlich Geld für ihre Arbeit. Sie können Vermögen ansparen – das die Männer jetzt ausgeben müssen, um die Betreuung der Kinder im Wechselmodell zu gewährleisten. Die Männer haben also weniger – die Frauen mehr. Endlich!
Die Männer haben dann nicht nur weniger Geld, sondern auch weniger Zeit, denn sie müssen ja mehr arbeiten gehen, um die fremde Frau, die auf ihre Kinder aufpasst, bezahlen zu können. Und wenn sie das Geld verdient haben, kommen sie nach Hause und betreuen die Kinder. Also viel weniger Zeit. Die Frauen, die jetzt bezahlt werden, weil sie fremde Kinder betreuen und nicht ihre eigenen, gehen auch nach Hause und haben jetzt Freizeit, die sie nutzen können, um sich weiterzubilden, Geld anzulegen, sich zu vernetzen und politisch zu engagieren – und das Leben zu genießen. Die Männer, die erst gearbeitet haben, um das Geld für die fremde Frau zu verdienen, die ihre Kinder betreut, sind aber müde, wenn sie die Kinder dann endlich ins Bett gebracht haben. Sie können sich nicht mehr weiterbilden, haben gar kein Geld mehr, das sie anlegen können, und sind für Vernetzung und Politik zu müde – vor allem wissen sie gar nicht mehr, was genießen heißt. Die fremden Frauen aber haben Spaß. Sie gehen abends weg, lachen, tanzen, suchen sich junge Lover, die nicht müde sind, weil sie keine Kinder haben und kein Geld für fremde Frauen verdienen müssen.
Natürlich müssen wir noch unsere arabisch-, türkisch-und albanisch-stämmigen Mitbürger und jetzt auch unsere ganz frisch angekommenen nordafrikanischen zukünftigen Väter davon überzeugen, wie wichtig das Wechselmodell für die gesunde psycho-soziale Entwicklung unserer Kinder ist, jenseits völlig überholter, uralter und schon lange nicht mehr gelebter – oder zumindest von den Vätern (nach Trennung) nicht mehr gewollter – Rollenclichés. Das übernehmen die Politiker; natürlich nur die männlichen, wegen der kulturell bedingten Akzeptanzproblematik, die aber bald schon keine Problematik mehr ist, wenn wir erst einmal den Spirit Wechselmodell in die ganze Gesellschaft gebracht haben.
Vor allem aber, müssen wir sie ausbilden. Und wieder entstehen Jobs für Frauen, die unseren vorbildlichen Wechselmodell-Vätern in spe beiseite stehen: Windeln, füttern, kochen, Läuse aus den Haaren zupfen und vieles mehr werden fremde Frauen dem aktiven Vater jedweder Herkunft mit viel Einfühlungsvermögen vermitteln. Ein bisschen Desensibilisierungstraining hier, ein wenig praktische Ekelvermeidung dort, lernen die zukünftigen Wechselmodell-Väter Kinderbücher Hundertmal zu repetieren ohne Enthusiasmusverlust, in deutsch, englisch, türkisch, arabisch, farsi, punjabi, xhosa und yoruba. Weitere Sprachen sind in Arbeit.
Die fremde Frau als Arbeitskraft wird immer begehrter – und dadurch knapper. Das Gesetz von Nachfrage und Angebot lässt die Preise steigen – ich sehe deutlich voraus, dass wir die 100-Euro-Marke noch in diesem Jahrzehnt knacken werden (ein Stundenlohn, der übrigens für jede spezialisierte Fachkraft mit ausgeprägten Skills und erheblicher Verantwortung völlig üblich ist). Das bedeutet: Noch mehr Geld für Frauen! Wir sind auf dem richtigen Weg…
Natürlich muss es Unterstützung geben. Stellen Sie sich einmal vor, das Kind schreit, wenn der Wechselmodell-Vater nach einem vollen Arbeitstag nach Hause kommt. Das ist ja unzumutbar. Für das Kind. Kein vernünftiger Mensch lässt einen gestressten, müden Vater mit Geldsorgen mit einem kleinen Kind allein. Das wäre unverantwortlich. Für solche Fälle gibt es profitorienterte private Notfall-Ambulanzen, sogenannte VäHa-Kliniken, für Väter, die das erste Mal in ihrer Evolution die Doppel-Belastung erleben und ganz langsam begreifen, dass dies kein Begriff aus dem Fußballsport ist.
Inhaber und Leiter der VäHa-Kliniken sind übrigens die weiblichen Nachkommen der fremden Frauen, die jetzt Geld für ihre Arbeit bekommen, dieses gewinnbringend anlegen, sich vernetzen und politisch engagieren. Zusammen mit ihren jungen Lovern, die zwar immer noch kein Geld haben, aber auch keine Kinder und insofern gechillt sind und gerne mal die Beine b… nein, die Arschbacken stramm zusammenkneifen. Das Ende des Patriachats durch das Wechselmodell! Wer hätte das gedacht?
Untersuchungen haben übrigens ergeben, dass sich Gehirnstrukturen verändern, wenn Männer sich um die Kinder kümmern. Und wir wissen aus der Evolution, dass die Natur anpassungsfähig ist. Wir Menschen sind Teil dieser Natur. In ein paar Dekaden also, nach der politischen Entscheidung „Ja, zum Wechselmodell für alle!“ werden auch Männer funktionierende Milchgänge haben, die Stimme hat sich um eine Oktave erhöht, weil Babies auf hohe Stimmlagen besser reagieren, und sie werden Prosecco trinken – aber, bitte liebe Männer, erst nachdem Sie abgestillt haben! Und dann liest sich die obige Anzeige ganz anders: „Nannum, Kindermensch oder Leihperson gesucht!“Keine Diskriminierung mehr, kein Gender Bias mehr und, endlich, das Naturgesetz hat sich dem Grundgesetz gebeugt! Was für ein Erfolg für die Menschheit!
Die Evolution geht immer den Weg, der für die Spezies das Überleben sichert. Es lässt wachsen, was gebraucht wird, und schrumpfen, was unnötig ist. Glücklicherweise bauten die Norweger in weiser Voraussicht auf Spitzbergen tief unter der Erde einen katastrophensicheren Bunker mit einer Samenbank: Von jeder bedrohten Art werden hier einige Samen gekühlt gelagert, um das Überleben jeder Spezies zu sichern, selbst wenn die Ursprungspflanze schon ausgestorben oder nicht mehr fortpflanzungsfähig ist. Aufgrund von Klimawandel, Kometeneinschlägen, Atomunfällen oder dem Wechselmodell…
Clara Sinn: Die Welt wird überleben. Jede Katastrophe, jede Ideologie, jeden menschlichen Unfug. Die Welt hustet einmal kurz und die Sicht ist wieder klar. Nur unsere Kinder leiden, und sie leiden jetzt.